Nachlass 2.0: Was passiert nach dem Tod mit der Online-Identität?

Die meisten Menschen sind im World Wide Web aktiv und hinterlassen dabei Spuren in sozialen Netzwerken oder Foren. Passwortgeschützte Profile sind nach dem Tod für die Hinterbliebenen ein Buch mit sieben Siegeln.

Chatten, mailen, Fotos posten und Online-Banking machen – dabei hinterlässt so mancher im Netz alle möglichen privaten Spuren. Doch was geschieht damit?
Geld, Häuser oder Autos: Wer was erbt, ist meist schon vor dem Ableben der Liebsten klar. Doch was geschieht mit Konten in sozialen Netzwerken? Kommen weiterhin E-Mails? Und wie gibt man seine Passwörter weiter? Die meisten Erben müssen heutzutage nicht nur den materiellen sondern auch den digitalen Nachlass sichten.

Je internetaffiner ein Mensch gelebt hat, desto unerwarteter können seine Hinterlassenschaften sein. Bestattungen Keunecke aus Wesel und Bestattungen Uwis-Spolders in Geldern erweitern ab sofort ihren Service und bieten zur Regelung des digitalen Nachlasses das Online-Schutzpaket an – damit ist Michael Keunecke, der die Unternehmen gemeinsam mit seiner Mutter Margit führt, der einzige Bestatter im Umkreis, der auch in diesem Bereich Hilfe bieten kann.

„Mit dieser Dienstleistung weiß der Angehörige den digitalen Nachlass einfach und sicher geregelt“, erklärt der 33-Jährige. Dafür arbeitet er mit dem Unternehmen Columba zusammen. Mithilfe eines Datenabgleichs – Passwörter und Zugangsdaten werden nicht benötigt – werden Benutzerkonten und zugeordnete Vertragspflichten des Verstorbenen bei Internetunternehmen recherchiert.

Bereits über 80 Prozent aller Deutschen sind heute privat und/oder beruflich im Internet tätig. Dabei schließen sie Online-Verträge ab, richten Internet-Konten ein, tätigen Einkäufe, pflegen Kontakte über soziale Netzwerke oder betreiben eigene Internetseiten und Blogs. Wie die ARD/ZDF Online-Studie belegt, steigt die Zahl der Internetnutzer jährlich.

Der Zuwachs von Internetnutzern geht vor allem aber von über 60-Jährigen aus. Mit mittlerweile fast 30 Prozent hat dabei insbesondere die Ü70-Generation mit ihren Online-Aktivitäten fast ein Drittel Anteil daran – Tendenz stark steigend. Damit ist über alle Altersgruppen hinweg die digitale Identität ein wesentlicher Bestandteil des modernen Lebens geworden.

Ein Beispiel aus der Praxis: Eine ältere Dame, etwa 85 Jahre alt, kam zu mir, um einen Vorsorgevertrag abzuschließen. Sie hatte sich Screenshots von allen wichtigen Informationen gemacht und ausgedruckt dabei. Das zeigt, dass das Internet in allen Generationen eine immer größere Rolle spielt, sagt Keunecke.

Beim Tod eines Menschen wird dieser Teil der Identität jedoch regelrecht abgespalten. Die digitalen Hinterlassenschaften eines Verstorbenen sind für Dritte meist nur selten zugänglich und damit im Sterbefall für Angehörige nicht kontrollierbar. Was aber den Wenigsten bewusst ist: Erbberechtigte Hinterbliebene erben alle mit dem digitalen Nachlass verbundenen Rechte und Verpflichtungen.

Dies hat gegebenenfalls zur Folge, dass Erben eines verstorbenen Internetnutzers bislang nicht von vorhandenen Guthaben erfahren haben (etwa bei Online-Casinos oder Zahlungsanbietern), unerwartete Rechnungen aus unnütz fortlaufenden Abo-Verträgen tragen mussten (zum Beispiel kostenpflichtige Multimediadienste) oder den Schutz der postmortalen Persönlichkeitsrechte nicht ausreichend sichern konnten (beispielsweise aktiv bleibende Profile in sozialen Netzwerken).

Empfehlenswert ist es aber, im Rahmen der Vorsorge auch den digitalen Nachlass zu berücksichtigen und seinen Angehörigen die Zugangsdaten zu hinterlassen. Um sich mit diesem Gedanken anzufreunden und die dafür nötigen Schritte einzuleiten, muss aber oft eine große Hemmschwelle überwunden werden. Niemand beschäftigt sich gern mit dem eigenen Nachlass.

Trotzdem ist es sehr wichtig, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen, damit es die Angehörigen nicht noch schwieriger haben als ohnehin schon. Denn die Hinterbliebenen können kaum herausfinden, in welchen Foren, Onlineshops oder sozialen Netzwerken jemand eingetragen ist.

Die Angehörigen müssen also informiert werden, was sie mit den Konten genau machen sollen. Darüber hinaus benötigen sie alle wichtigen Zugangsdaten. Hierbei helfen digitale Nachlassverwalter wie Michael Keunecke und die Firma Columba.

Quelle: RP, Vera Straub, 10.März 2015

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